Die sechste Ausgabe des Literaturfestivals FILIT versammelt eine illustre internationale Schriftstellergemeinde in der ostrumänischen Stadt Iaşi (Jassy). In zahlreichen Lesungen, Vorträgen, Diskussionen suchen die rumänischen und norwegischen, tschechischen, ungarischen, schwedischen, französischen, amerikanischen, ukrainischen AutorInnen eine gemeinsame Sprache, um über Literatur und vieles andere zu sprechen. Ebenso treffen sich zahlreiche ÜbersetzerInnen aus und in das Rumänische, und diskutieren den internationalen Austausch zwischen den rumänischen und anderssprachigen Literaturen. Zahlreiche Veranstaltungen in Schulen, der Universität und vor allem den Zelten, die auf dem zentralen Piaţa Unirii aufgebaut sind, machen die Stadt nicht zum ersten Mal zu einer Kulturmetropole mit weiter Ausstrahlung.
Unter der stummen
Schirmherrschaft des Alexandru Ioan Cuza - Professionelle Kreativität am Platz der Einheit in
Iaşi
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3. Oktober 2018
Die Fallen der Polyphonie
Sylvie Germain und Gabriela Adameşteanu eröffnen FILIT
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Der Rahmen ist prächtig: Im Nationaltheater "Vasile Alecsandri" des legendären Wiener Architektenateliers Fellner&Helmer blicken goldverzierte Putten und Masken auf ein ebenso wie die Ränge gefülltes Parkett. Iaşi ist literaturaffin und wenn die bedeutendste Schriftstellerin des Landes mit der Starautorin aus Frankreich gemeinsam sich den Fragen der Moderatorin Simona Modreanu stellt, ist der Auftakt zu FILIT wieder das Ereignis der Saison. Zuvor stimmte Schauspieler Cătălin Sava aus Bukarest in eleganter Robe unter Nennung der zahlreichen Sponsoren das Publikum ein, die von den Organisatoren als Unterstützer des Festivals gewonnen werden konnten - eine durchaus besondere Leistung der Organisatoren ebenso wie das hierzulande neuartige Konzept von SchülerInnen als "volunteers", die die Gäste betreuen und zahlreiche Aufgaben im Ablauf übernehmen. Bevor über Literatur gesprochen wird, begrüßt der Chef-Organisator und Leiter des Literaturmuseums, der auch ins Deutsche übersetzte Schriftsteller Lucian Dan Teodorovici, das Publikum. Sein Dank an die Zuschauer zeigt zugleich, wie sehr den Iaşiern das Festival bereits ans Herz gewachsen ist. Der Kreisratsvorsitzende zeichnet ihn mit einer Medaille aus, die dokumentiert, dass manche Unstimmigkeit der Vergangenheit überwunden und die politische Unterstützung von FILIT in der Zukunft gesichert scheint.
Die literarische Diskussion orientiert sich an Themen wie der Polyphonie und Simultaneität der Stimmen in den Werken der beiden Autorinnen, bei Adameşteanu in der Frage nach den Unterschieden der Sprechweisen in einer Sprache, bei Germain mit einer Richtung auf die Philosophie des Anderen bei Emanuel Levinas', über die sie promovierte. Es ist erstaunlich, wie konzentriert das Publikum über zwei Stunden den manchmal eher akademisch induzierten Fragen folgte, wobei sogar Kinder mithielten oder zumindest nicht auffielen. Aber gerade als es um die Figur von Kindern und die ihnen eigene Wahrnehmung ging, nahm die Diskussion eine dem Publikum zugänglichere Wendung. Ebenso, als Adameşteanu auf das Thema des Krieges einging, das ebenso bei Germain zentral ist: das Grauen der Erfahrungen, die sich fortsetzen in Familien und noch bei der folgenden Generation und gar den Kindeskindern Auslöser von Emotionen und Dramen sind. Unter diesen vielstimmigen und internationalen Auspizien nahm das Festival seinen viel versprechenden Anfang.
Re-E-Migrationen und Geschichte -
Gabriela Adameşteanu im Gespräch
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Iaşi ist für die rumänische Schriftstellerin Gabriela Adameşteanu die Stadt ihres Verlages Polirom, die Stadt der Schriftstellerkollegen und Initiatoren von FILIT, Dan Lungu, Lucian Dan Teodorvici und Florian Lăzărescu, aber natürlich auch - wie für viele Rumäninnen - die mythische Stadt von Junimea und Mihai Eminescu. Der im Gespräch mit Sylvie Germain aufgekommene Bezug zur Geschichte ist in ihrer Familie vorgegeben: Der Vater war Historiker, ein Onkel wanderte früh nach Italien aus und wurde Archäologe, Direktor eines später nach ihm benannten Museums. Man denkt sofort an die Gestalt des Archäologen in ihrem Roman "Begegnung" (Wieser Verlag 2018), der nach Rumänien aus Italien zurückkehrt und in die Fänge der Securitate sich verstrickt. Ihre Bücher sieht sie als Auseinandersetzung mit dem Thema der Migration, der Rückkehr, der Präsenz der Vergangenheit. Gerade erschienen ist der Roman "Fontana di Trevi", der die aus "Der gleiche Weg an jedem Tag" (Schöffling 2013) und "Provizorat" (2010) bestehende Trilogie über die Protagonistin Letiţia Branea in verschiedenen Lebensaltern und an unterschiedlichen Orten zum Rahmen hat, abschließt, wobei jeder Band als Geschichte für sich steht. Adameşteanu bekräftigt die Bedeutung des im Westen immer noch zu wenig diskutierten Problems der Auswanderung, das für Mangel an Arbeitskräften und Spezialisten in Rumänien sorgt. Zudem seien viele Kinder allein gelassen worden. Auch für die Rückkehrer stelle sich die Frage der Veränderungen, das noch einmal Einpassen in eine nicht gleich gebliebene Situation.
Auf die literarische Präsenz Rumäniens in Deutschland angesprochen, bemerkt sie eine merkwürdige Situation der Vernachlässigung rumänischer Literatur. Nur schwer seien in Deutschland ihre Bücher zur Übersetzung gekommen, während sie in zwölf anderen Ländern bereits übersetzt war. Möglicherweise liege beim deutschen Publikum eine Verwechslung der rumänischen Literatur mit der deutschsprachigen Literatur aus Rumänien vor. Deutschland sei in Rumänien sehr angesehen, während umgekehrt wohl Wissen über Rumänien fehle. Politisch hofft die Schriftstellerin, dass der jetzige Präsident Klaus Johannis mangels starkem Gegenkandidat wieder die Wahlen gewinnen werde. Darüber hinaus bleibt zu hoffen, dass ihre noch unübersetzten Bücher bald in Deutsch zu lesen sein werden.
4.10.2018
Die Kälte des Schnees und die Wärme des Whiskeys
Jón Kalman Stefánnson und Robert Şerban feiern mit dem Publikum
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In gewisser Weise hatte der Moderator, der auch ins Deutsche übersetzte Lyriker und TV-Autor Robert Şerban aus Temeswar, einige Vorteile in der Gestaltung des Abends im Nationaltheater. Wie er sie zu einem spannenden, unterhaltsamen und informativen Dialog mit dem isländischen Autor Jón Kalman Stefánnson gestaltete, macht aber seine Ingeniosität aus. Zunächst beförderte er die Tatsache seines Geburtstages zu einer Feier mit dem Publikum, zwar nur virtuell, aber zugleich auch real, indem er aus dem Rucksack eine Flasche Whiskey zauberte (die Marke werden wir noch herauszufinden versuchen [es handelte sich um "J&B", smooth and old]) und mit Stefánnson einige (wenige) Gläser teilte. Eine Überraschung, die das Publikum sichtlich amüsiert goutierte. Zudem ließ Şerban immer wieder seine eigene Begeisterung für Stefánnsons Trilogie erkennen und versuchte mit seinen Fragen als die eines Kollegen von dem Autor die Hintergründe und Realitäten seines Schreibens im Land von Eis und Schnee zu locken. Und mit dem Gast aus Island hatte FILIT einen Autor gewonnen, der bei aller Reflexion und Ernsthaftigkeit keineswegs humorlos sich zeigte. Es kamen viele Facetten zur Sprache, die Stefánnson gekonnt in Szenen und Beispiele fasste, wie die, dass er sich den Namen Kalman zulegte (da Jón sehr verbreitet ist in Island), der zurückgehe auf irische Eroberer und er sich vorstelle, er sei Nachfahre eines rothaarigen irischen Eroberers und Dichters. Er machte deutlich, dass seine Vorstellung von Poesie nicht nur auf die klischeehafte schwarze Stimmung des Poeten zurückgehe, sondern ein Dasein ohne Schreiben für ihn unmöglich sei. Bei aller Arbeit sei das Entstehen eines Romans für ihn ein Fließen, das ihn glücklich mache, wenn auch der Inhalt meist weniger Angenehmes angehe: "Ein Roman über das Glück kann kaum mehr als fünf Seiten umfassen, da das Glück gelebt werde und nicht geschrieben. Das Unglück hingegen ist vielgestaltiger." Unterstützt von einer agilen Übersetzerin in und aus dem Englischen und Rumänischen genoss das Publikum einen animierten Dialog, um zum Schluss auf die Ermunterung Şerbans hin selbst durch auf Zettel geschriebene Fragen einzugreifen (wie die, ob er die Erwärmung der Erde spüre). Ein rundum gelungener Abend!
5. Oktober 2018
Ioan Es. Pop - ein Gipfel der rumänischen Dichtung
Von einigen Kritikern wird der Dichter Ioan Es. Pop als "poète maudit" betrachtet, als jemand, der nicht die angenehmen Seiten des Lebens reflektiert, der Dinge sagt, die für viele schockierend erscheinen und der kein Blatt vor den Mund nimmt. Im Gespräch und auf den Podien hingegen ist der 60- jährige von äußerster Liebenswürdigkeit und Aufmerksamkeit. Er versprüht Humor und Sprachwitz, was aber andererseits nicht von seinen grundlegenden Erfahrungen ablenken soll: Ioan Es. Pop betrachtet sein Leben und die Zeit, in der er lebt, als von zahlreichen Unglücken und Krisen durchzogen, die auf seine Poetik sich auswirkten. So wird er oft mit dem rumänischen Klassiker Bacovia verglichen, mit der Hölle, die dieser ähnlich Dante erfand und die bis heute ihre Wirkung auf jede Dichtergeneration ausübte. Kein Zufall, dass die äußerst produktive und qualitativ überzeugende junge DichterInnengeneration ganz selbstverständlich Pop zu den ihren zählt.
In der Maramureş in einem Dorf geboren kam die Dichtung auf selbst fast schon poetische Weise zu ihm: Der Vater war Diakon und änderte bei Beerdigungen die Verse der kanonischen Texte eigenhändig. Zudem las er in Winternächten den Nachbarn und der Familie Texte der Weltliteratur vor, Dumas, Tolstoj, Dostojewski und andere. Hinzu kam bei dem Kind des Priesters eine Passion für das Lesen - alles in allem beste Voraussetzungen für einen Dichter. Aber irgendwann hielt es den Lehrer gewordenen Sohn nicht mehr in seinem Dorf und er ging ausgerechnet im Jahr 1989 nach Bukarest, um der Literatur und ihrer Verbreitung näher zu sein, verdingte sich als "muncitor necalificat" (Hilfsarbeiter) beim Bau der monströsen Casa Poporului. Nach der Wende arbeitete Pop in zahlreichen journalistischen Berufen und schrieb Gedichte - "ein unter dem Journalismus verborgener Dichter". Er gehörte bald einem der wichtigsten literarischen Kreise Bukarests an.
Seine Gedichte erschienen in Bänden und Zeitschriften, wurden in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt - ins Deutsche nur eines von Gerhard Csejka. Dabei erwähnt Pop seine passionierten Lektüren wie Enzensberger, Rilke, Trakl und Heym. Als Student hatte er auch Kontakt zur rumäniendeutschen Literatur, kannte Peter Motzan in Cluj/Klausenburg und ist in einer von diesem zusammengestellten Anthologie vertreten. Und listig erklärt er die Schreibweise seines Namens mit dem Hinweis, dass dieser sich wie "Johannes" lese...
6. Oktober 2018
Birdwatching und Literatur
Jonathan Franzen im Nationaltheater Iaşi
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Der US-Autor Jonathan Franzen kommt in Jeans, Baumwollhemd und Lederschuhen auf die Bühne, der Moderator Marius Chivu hat sich mit dunkelblauem Anzug mit pinkem Einstecktuch, korrekt geschnittenem Hipster-Bart und Hornbrille in Schale geworfen. Franzen entschuldigt sich für sein Outfit, da er mit kleinem Gepäck auf dem Weg nach Madagaskar sei (alle im Saal denken an den exzentrischen früheren Bürgermeister von Constanţa, der vor der Justiz nach Madagaskar geflüchtet ist), worauf Chivu antwortet, dass er sich nicht entschuldige für sein Outfit und die Jacke anbehalten werde. Mit solchen kleineren gespielten Sottisen und Stichen, die beide gekonnt in Szene setzen, ist der FILIT-Abend im Nationaltheater "Vasile Alecsandri" durchsetzt und sie machen über die eher ernste literarische Diskussion hinaus das Gespräch für das Publikum unterhaltsam und zugänglich.
Franzen, seit seinem Erfolg mit "Corrections" (Korrekturen) ein Superstar des amerikanischen und globalen Literaturbetriebs, dem die Bekanntmachung, dass Präsident Obama seine Bücher lese, zudem weite Aufmerksamkeit verschaffte, tritt auf wie ein typischer jungenhafter, intelligenter Autor aus US-Filmen. Unterhaltsam, aber auch grüblerisch, offen und höflich.
Es geht zunächst um das Thema der Familie, das in Franzens neuem Roman zentral ist, und das dem Autor wegen der Nähe und Selbstverständlichkeit gelegen kam, da es kaum der Recherche bedürfe - "it's easy"! Gegen Chivus generelle Qualifizierung seiner Romane als Familienromane erhebt Franzen Einspruch; zwar kämen unvermeidlicherweise Familienverhältnisse zur Sprache, aber die Figuren seien als Einzelne geschildert, nicht in der Familie. Es habe ihn jetzt interessiert, wie z.B. der Bruder oder die Schwester einer Figur sei, sich entwickle, welche Rolle sie spielen könne. In diesem Zusammenhang reagierte der Amerikaner auch auf das gerade statt findende Referendum in Rumänien, das die gleichgeschlechtliche Ehe verbieten wollte. Franzen fand großen Zwischenapplaus, als er empfahl nicht an dem Referendum teilzunehmen.
Ernsthaft besorgt ist Franzen über die soziale Entwicklung nicht nur in seinem Land durch die Folgen der Digitalisierung und die Auslieferung an den Terror der Kürzestnachrichten und den Verbrauch an Zeit. "Wie soll man etwas verstehen, wenn alle 60 Sekunden eine neue Nachricht auftaucht und man keine Zeit findet, darüber nachzudenken?!" Hier liegt für ihn das Privileg etwa eines Romans, indem eine ganz andere Zeitwahrnehmung möglich sei, die er in seinem Leben einfach brauche.
Wie in US-Talkshows eingeübt, nannte Chivu ein Thema, von dem Franzen ihm gesagt habe, dass er es nicht ansprechen solle und natürlich trotzdem tat, und auf Franzens Interesse am "birdwatching" einging, was weitere ironisch-lustige Wortwechsel auslöste. Immerhin überraschte Chivu den Autor mit einer Serie von Karten von Vögeln, die ihm die Ornithologische Gesellschaft Rumäniens bereitgestellt habe und die sofort das Interesse Franzens fanden. So endete ein vergnüglicher Abend mit Details über die "cuteness" von Vogelarten und ihre unterschiedliche Brutalität, da die meisten ja nicht nur Körner fressen. Der Andrang am Büchertisch nach der Veranstaltung war entsprechend groß.
Der OBSERVATOR CULTURAL als Institution
Gespräch mit Carmen Muşat
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Die Zeitschrift "Observator Cultural" sei ein "punct de reper" - also ein Referenzpunkt, ein zentral wahrgenommenes Medium, eine Institution. Die Chefredakteurin Carmen Muşat erinnert an den 29. Februar 2000, als das erste Heft erschien und die neue Zeitschrift sich in kürzester Zeit zu einem der wichtigsten kulturellen Informations- und Debattenmedien in Rumänien entwickelte. Sie ist von staatlicher Seite komplett unabhängig, da sie zu 80% von der Rechtsanwaltsfirma "Muşat&Asociaţii" finanziert werde. Auf Antrag gewähre das Kulturministerium Druckkostenzuschüsse, aber diese müssten jedes Jahr neu gestellt werden und betreffen nur wenige Monate im Jahr. Weitere Einkünfte entstünden durch Werbung, den Verkauf der gedruckten und Abonnements der kostenpflichtigen Internet-Ausgabe, Beilagen, Zusammenarbeit mit ausländischen Kulturinstituten wie Goethe, Cervantes, Institut Francais. Wiewohl im Internet online, werde die Zeitschrift an der gedruckten Ausgabe festhalten. "Auch weil die Internet-Archivierung vieler Zeitschriften einfach nicht wirklich komplett ist", hält Carmen Muşat fest.
Das Konzept der Zeitschrift stehe für eine kritische Informations- und Debattenkultur, in der Probleme benannt und aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert werden. Es gebe keine tabuierten Themen und jeder, der für seine Äußerungen die Verantwortung übernehme, könne eine Meinung äußern. Dabei finden sich keine fixen Schwerpunkte, sondern eher eine "structură mobilă" mit Interesse an Literatur, Kunst, aber auch Bildungspolitik und Stadtentwicklung. Man sei politisch in dem Sinne eines "spiritul critic în acţiune" (kritischer Geist in Aktion) und sehe Politik als Teil der Kultur. Daher auch Kommentare zu politischen Tagesereignissen. Da Carmen Muşat auch an der Bukarester Universität lehrt, hat sie Kontakt zu jungen Intellektuellen, die sowohl als AutorInnen für die Zeitschrift wie auch als Publikum gewonnen werden. So erneuere sich die Zeitschrift permanent. International sind ihre Verbindungen zu entsprechenden französischen, spanischen, englischen Zeitschriften und Autoren, die über die Diaspora hinausgingen und auf Aufmerksamkeit für internationale Entwicklungen zielten. Der Erfolg der Zeitschrift gibt vielen ihrer anfangs formulierten Intentionen recht - der Observator Cultural erweist sich jede Woche neu als ein "punct de reper".
"Poes:s internaţional" und "Editura Max Blecher"
Claudiu Komartins Lyrik-Unternehmen
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Claudiu Komartin (Mitte) mit Anastasia Gavrilovici und Alex Văsieş
Die Lyrik findet in Rumänien ein ziemlich großes Echo. Immer wieder machen junge DichterInnen auf sich aufmerksam, mehrere Lyrikfestivals wie etwa "Poezia e la Bistriţa" ziehen zahlreiche Besucher an, das Interesse an Dichtung ist ungebrochen stark. Auch bei FILIT finden Lesungen und Diskussionen ihr Publikum. Einer derjenigen, die diese erfreuliche Entwicklung konsequent vorantreiben, ist der junge Lyriker Claudiu Komartin.Nach der Zeitschrift "Poes:s internaţional" gefragt verweist er auf den Beginn des Unternehmens, als kurz nach der Wende der Dichter George Vulcurescu in Satu Mare (Sathmar) eine Zeitschrift "Poesis" begründete, die durch Komartin und seine Freunde unter erweitertem Titel in Bistriţa wiederbelebt wurde. Mittlerweile ist man bereits bei der 22. Ausgabe angekommen (über 3000 Seiten insgesamt), was Komartin mit Stolz und einer gewissen Verwunderung betont. Natürlich ist bei allem Interesse die Finanzierung schwierig, es gibt kaum staatliche Unterstützung, der Verkauf bringt etwas Geld ein, ansonsten lebt die Zeitschrift vom Enthusiasmus und der Passion der MitarbeiterInnen, BeiträgerInnen und UnterstützerInnen. Aber dafür ist das Unternehmen absolut unabhängig, frei und kann einem kommunitären Geist anhängen, der vor allem auf die Qualität des Produkts setzt. Die Zeitschrift ist keiner lyrischen Richtung verpflichtet, sie übersetzt Gedichte aus der ganzen Welt, aus dem Indonesischen ebenso wie aus dem Russischen, bringt aber auch rumänische Lyrik in Fremdsprachen und Rezensionen und Vorstellungen von DichterInnen. Heft 20/2017 ist auf über 300 Seiten angewachsen.
Weiterhin wird Lyrik durch die Editura Max Blecher promotet, ebenfalls in Bistriţa angesiedelt; der Verlag, in dem die Zeitschrift erscheint, der seit seiner Gründung 2009 aus einem Lektürekreis heraus über 75 Bücher publiziert hat - darunter zahlreiche der AutorInnen aus "Poes:s Internaţional".
Die reiche Lyriklandschaft bringt zahlreiche Talente hervor, aber keinen Star wie es einst etwa Nichita Stănescu war, den Komartin aber eher als Solitär ohne wirkliche innovative Nachfolge betrachtet. Nicht wie einst etwa der Klassiker George Bacovia (1881-1957), der eine kreative Schule beeinflusste. Als eng bewertet Komartin die Verbindung zu Talenten aus der Republik Moldova, aus Chişinău, die seiner Ansicht nach sehr wichtig seien für die Dichtung in rumänischer Sprache. Sie brächten eine 'russische' Kraft mit, die die Szene neu figuriere. Hört man Komartin zu, muss einem um die rumänische Lyrik nicht bange sein.