Leipzig macht mobil - und Rumänien ist dabei...
Hier sollen an den Messetagen aktuelle Eindrücke, Informationen, Berichte, Bilder über den rumänischen Auftritt auf der Leipziger Buchmesse zu sehen sein.
14. März 2018
Preisverleihung
Heute findet die Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an die norwegische Autorin und Journalistin Åsne Seierstad für ihren Roman „Einer von uns. Die Geschichte eines Massenmörders“ im Leipziger Gewandhaus statt. Die Laudatio hält Verena Lueken. (Im Jahr 2015 hatte bekanntlich Mircea Cărtărescu diesen Preis erhalten.) Dies ist die Eröffnung der Leipziger Buchmesse, die dann morgen Do., 15. März in den Messehallen ihre Tore öffnen wird...
Wir sind gespannt!
Aus technischen Gründen muss leider das aktuelle Blog entfallen! Die Texte und Bilder werden nachgeliefert! Wir bitten um Verständnis.
14.März 2018
- Leipziger Hauptbahnhof
Bücher schon auf den ersten Blick mit dem Hinweis auf Buchmesse und Rumänien-Schwerpunkt. Ein paar Schritte weiter in der schönen Buchhandlung mit Café großer Andrang: Es spielen Musiker des Gewandhausorchesters! Besser kann es kaum losgehen!
- Gewandhaus zu Leipzig
Mit Verspätung angekommen, aber die freundlichen Damen des Rumänien-Tisches lassen auch Verspätete hinein. Der imposante Saal gefüllt, es spricht die Kulturbürgermeisterin von Leipzig, Skadi Jaennicke. In klaren überzeugenden Worten sagt sie, was heute nicht mehr ganz selbstverständlich scheint hinsichtlich Toleranz, Humanität und Zivilgesellschaft. Dafür erhält sie viel Beifall, aber auch Buh-Rufe!
Die Eröffnung der Leipziger Buchmesse stand deutlich im Zeichen der vor Beginn aufgekommenen Diskussion um den angemessenen Umgang mit Verlagen und Autoren, die "rechtem", hier gemeint rechtsradikalem Gedankengut nahe stehen. Sowohl Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, als auch Ministerpräsident Michael Kretschmer versuchten in dieser Diskussion sowohl zu differenzieren, als auch deutlich zu machen, dass rechtsextremen Ideologien mit festen Widerstand begegnet werden müsse. Sie zeigten sich überzeugt, dass dies erfolgreich möglich sei.
Der rumänische Außenminister Teodor Meleşcanu sprach sehr allgemeine und nicht auf die aktuelle rumänische Literatur eingehende Worte zur Begrüßung.
Nach der musikalischen Begleitung durch das Gewandhausorchester unter Andris Nelson folgte die Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung. Verena Luekens Laudatio war eine bewegende Variation auf das Gebot "Du sollst nicht töten", von dem aus das Buch Åsne
Seierstads über den norwegischen rechtsradikalen Massenmörder Breivik als aussergewöhnliche literarisch-journalistische Arbeit gewürdigt wurde. In ihrer Dankesrede ging Seierstad auf diese doppelte Herangehensweise ebenso ein wie auf die Notwendigkeit der Bücher: Um das Andenken an eines der Opfer zu bewahren, die versuchte, mit Breivik zu reden und von ihm erschossen wurde, "dieses ungeheuer mutigen Mädchens, dürfen wir die Ideen, für die sie stand, nie aufgeben. Und unsere einzigen Werkzeuge sind dieselben, die sie wählte: Worte. Auf lange Sicht sind sie stärker."
Das Foyer war danach Ort für Essen und Trinken und lebhafte Debatten der Medien- und Büchermenschen über das Gehörte und vieles andere.
15. März 2018
Die Eröffnung des rumänischen Standes brachte einen großen Auflauf für das von dem Architekten Attila Kim geschickt gestaltete kleine Amphitheater in Halle 4. Mircea Dinescu, Norman Manea, Georg Aescht als Moderator, der deutsche Botschafter in Bukarest, Cord Meier-Klodt, und rumänische Offizielle aus dem Kulturministerium sprachen, wonach dann Dinescu für noch mehr Auflauf sorgte, indem er einen Tisch mit eigens zubereitetem Essen zum Sturm freigab. Dazu wurde von dem Dichter selbst produzierter Rotwein von der Donau gereicht, der durchaus mundete. So erhielt die zahlreich vertretene Presse ihre Bilder eines überfüllten rumänischen Standes, Dinescu hatte sein Aufsehen, das Publikum erfreute sich an Essen und Trinken - was wollte man mehr! Direkt gegenüber war der Verlag von Traian Pop situiert, der gleich in das Geschehen einbegriffen wurde, so dass seine zahlreichen rumänischen AutorInnen ebenfalls entsprechende Aufmerksamkeit erfuhren.
Nach diesem gelungenen Auftakt begann das Marathon der Diskussionen und Buch- und AutorInnenvorstellungen. Anziehungspunkt waren neben diesen Veranstaltungen die schlangenförmig um das Amphitheater aufgestellten Tische mit rumänischen Büchern und deutschen Übersetzungen. Besonders auffällig die große Zahl der Übersetzungen, die weit über die vom RKI geförderten etwa 40 Bücher liegen. Ein Regal beherbergte "Cele mai frumoase cărţi" - eine Fundgrube für Fotobände, aufwendig gemachte Lyrikeditionen, Graphic Novels, die den unübersehbaren Fortschritt in der rumänischen Buchproduktion belegen. Das Interesse des Publikums an den ausgelegten Büchern war während aller Messetage anhaltend intensiv.
15. März 2018
Gespräch mit Cătălin Mihuleac
Einer der Entdeckungen der Messe ist der Autor Cătălin Mihuleac aus Iaşi (Jassy). Sein von Ernest Wichner übersetzter und für den Buchpreis nominierter Roman
Foto: www.kultro.de
"Oxenberg & Bernstein" (Zsolnay Verlag; im Original "America de peste pogrom", 2014) hat als Thema das Pogrom von Iaşi im Sommer 1941 zu Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion.
Im Gespräch nennt Mihuleac überraschend die Rockmusik als seinen Zugang zu dem jüdischen Thema : Musiker wie Gene Simmons (Kiss), Robbie Robertson (The Band), Manfred Mann, Irving Berlin interessierten ihn und brachten ihn dazu, deren jüdischen Hintergrund zu erkunden. Von dort war es dann die jüdische Welt seiner Heimatstadt Iaşi, die auf der Suche nach einer ernsten, großen Erzählung zu seinem Thema wurde. Dabei entdeckte er Marina Zvetajevas Diktum: "Jeder Künstler ist ein Jude." Der bis dahin eher mit ironischen und satirischen Gegenständen aufgetretene Schriftsteller erfuhr bei seiner Arbeit die Ablehnung sowohl von Kritikern als auch der Medien. Er sei totgeschwiegen worden, seine E-Mail-Adresse wurde blockiert, ein Mitglied der Geheimpolizei habe ihm beim Kaffee ganz freundlich empfohlen, doch dieses Thema nicht weiter zu verfolgen.
Auf die Funktion der drastischen Sprache im Roman angesprochen, sieht er darin weder Vulgarität noch Sexismus, sondern eine Art konservierenden Realismus, die auch eine komödienhafte Ebene in die Erzählung bringe. Das Spektakel verweise zudem auf die amerikanische Seite der Geschichte, die er als größtenteils seiner Phantasie entsprungen beschreibt. Amerika schien ihm der passende Schlüssel, um die Geschichte im Buch zu erzählen. Sie erforderte etwa zwei Jahre Vorbereitungszeit.
Nach Erscheinen im Verlag Polirom wandelte sich das Bild - der Erfolg ließ auch die Kritiker weitgehend umschwenken.
15. März 2018
Abends versprach der Auftritt der rumänischen Musikerin Ada Milea mit Herta Müller ein besonderes Event. Im schick heruntergekommenen Saal der Schaubühne Lindenfels las Müller eine brillante Reflexion über die von ihr übersetzten Texte Mileas, die die besondere Bedeutung dieser eigenwilligen Musikerin deutlich machte. Mileas Auftritt mit ihren zwei Begleitmusikern ließ dann keinen Zweifel an der Besonderheit und dem Einfallsreichtum der Musikerin aufkommen. Eine mehr als gelungene Ergänzung des literarischen Programms der Messe!
Herta Müller stellt Ada Milea in der Schaubühne Lindenfels vor
Foto: www.kultro.de
Ada Milea beim Auftritt in der Schaubühne Lindenfels
Foto: www.kultro.de
16. März 2018
Die Lage hat sich drastisch geändert!
Gewandhaus zu Leipzig im Frühjahrsschnee
Foto: www.kultro.de
Keine gute Zeit für Raucher...
Terrasse auf dem Messegelände nach dem Wintereinbruch
Foto: www.kultro.de
In den geheizten Hallen diskutierten am rumänischen Stand anregend Cătălin Mihuleac, Filip Florian, Doina Ruşti, Georg Aescht über die Vergangenheit und ihre Darstellung in der aktuellen rumänischen Literatur.
Vorne links der Lyriker und bedeutende Übersetzer aus dem Rumänischen Roland Erb.
Foto: www.kultro.de
16. März 2018
Der Blick aus Deutschland auf Rumänien - literarisch
Eine interessante Diskussion am rumänischen Stand versammelte Carmen-Francesca Banciu, Iris Wolff, Jan Koneffke und Jochen Schmidt und den Moderator Markus Bauer zur Reflexion über die Frage, wie in deutscher Literatur Rumänien als Thema erschrieben wird.
Für die in Deva geborene und zunächst in Rumänisch schreibende Banciu ist in ihrem neuen Roman "Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!" (PalmArtPress) Rumänien auf enge Weise mit der Rebellion ihrer Heldin gegen ihre Eltern verbunden. Der Vater war ein überzeugter Funktionär des kommunistischen Regimes. Iris Wolff hingegen schildert in ihrem Debutband "Halber Stein" (Otto Müller Verlag) die Erinnerung an die abgeschlossen erscheinende Welt der Siebenbürger Sachsen, die nur an den Rändern mit der größeren rumänischen Realität zu tun hatte. Ganz anders Jan Koneffke in seinem Roman "Die sieben Leben des Felix Kannmacher" (DuMont) von Rumänien: Seine Geschichte eines deutschen Emigranten in Rumänien vor und im Zweiten Weltkrieg ist präzise an den historischen Entwicklungen orientiert und zugleich komplexes psychologisches Gemälde des Helden in diversen Künstlermilieus. Und Jochen Schmidt schließlich nähert sich in seiner "Gebrauchsanweisung für Rumänien" (Piper) der materiellen Realität Rumäniens, vor allem dem verschwindenden Design des Alltags aus der sozialistischen Zeit. Witzig reflektierte der gebürtige Ostberliner darüber, was wir in Rumänien suchen und was wir dort finden können. Er empfahl, jede/r müsste einmal im Jahr nach Rumänien fahren, um zu sehen, dass man auch mit weniger gut leben könne. So wurde neben dem Vergangenen und der Erinnerung auf dem gemischten Podium auch eingehend über das Fremd- und Nahesein debattiert - Themen, die das Publikum sichtlich in ihren Bann zogen.
Blick auf das Podium mit Jan Koneffke, Jochen Schmidt, Carmen-Francesca Banciu, Iris Wolff, Moderation: Markus Bauer, 5.v.rechts: Roland Erb Foto: www.kultro.de
In der Glashalle bei Arte: Varujan Vosganian im Gespräch mit seinem Übersetzer Ernest Wichner
Foto: www.kultro.de
Nicht fehlen dürfen auf der Leipziger Buchmesse die Cosplayer und Manga-Fans: Die Kostüme werden immer aufwendiger und verrückter...
Hier einige Beispiele!
Fotos: www.kultro.de
17. März 2018
Die rumänische Moldau
Moderator Jan Cornelius, Lojze Wieser, Markus Bauer, Dolmetscher Sorin Georgescu, Florin Lăzărescu (v.l.)
Der Wieser Verlag in Klagenfurt hat mehrere rumänische Titel im Frühjahrsprogramm: Florin Lăzărescu mit "Seelenstarre" (Übers. Jan Cornelius) und Gabriela Adameşteanu mit "Begegnung" (Übers. Georg Aescht) sowie zwei neue Bände aus der Reihe "Europa erlesen" zur rumänischen "Moldau/Moldova" und deren Kapitale "Iaşi/Jassy", hg. von Markus Bauer. Die Beteiligten der auf die nordöstliche Landschaft bezogenen Titel trafen sich zu einer angeregten Diskussion am rumänischen Stand. Es ging um die Frage, was die Moldau sei und ob ihre Autoren sich auch über diese Zugehörigkeit definierten. Lăzărescu lehnte dies deutlich ab als Schriftsteller rumänischer Sprache ohne spezifischen Regionalbezug. Während Markus Bauer versuchte, die alte Kulturlandschaft Moldau nicht nur historisch wichtig zu machen oder der Verleger Lojze Wieser die Bedeutung von Regionen für die europäische Kultur betonte. Aus solchen gegensätzlichen Standpunkten entwickelte sich ein lebhafter Austausch, der Missverständnisse aufklären konnte und verschiedene Perspektiven auf die rumänische Moldau kenntlich machte.
17. März 2018
Bukarest und seine SchriftstellerInnen
Eine spannende Runde zu einem faszinierenden Thema versammelte der Moderator Jan Koneffke mit fünf AutorInnen zur Diskussion über die Stadt Bukarest in der rumänischen Literatur.
Es diskutierten v.l.: Lavinia Branişte, Dolmetscher Alexandru Sterescu, Gabriela Adameşteanu, Bogdan-Alexandru Stănescu,
v.l.: Bogdan-Alexandru Stănescu, Filip Florian, Mircea Cărtărescu, Jan Koneffke.
Foto: www.kultro.de
18. März 2018
Lyrik aus dem Pop-Verlag
Der Pop-Verlag hat sicher die meisten Bücher in Übersetzungen aus dem Rumänischen herausgebracht - nicht nur zu dieser Buchmesse. Die in der Republik Moldova geborene Lyrikerin Aura Christi las aus ihren Gedichten.
Fotos: www.kultro.de
Zusammen mit (2.v.l.) Barbara Zeizinger, Horst Samson als Moderator und dem georgischen Dichter Dato Barbakadse mit der Übersetzerin Maja Lisowski neben dem Verleger und Lyriker Traian Pop.
Traian Pop (rechts), hier mit der rumänischen Lyrikerin und Dissidentin Ana Blandiana, Georg Aescht, Horst Samson und Katharina Kilzer (v.r.)
18. März 2018
Gespräch mit Nicoleta Esinencu
Theaterautorin aus der Republik Moldova
Foto: www.kultro.de
Nicoleta Esinencu aus Chişinău (Republik Moldau) ist wohl die bekannteste Autorin des rumänischen Nachbarstaates. Mit ihrem Stück "FUCK YOU, EU.ro.PA!" (2005) sorgte sie für Aufsehen, in Deutschland ist besonders bekannt ihr Langgedicht "Odessa Transfer" in dem gleichnamigen Band (Suhrkamp Verlag) über das Schwarze Meer.
Im Gespräch erwähne ich ihr Stück "Clear History" über den Holocaust, das sie in ihrem Theater "Spălătorie" in Chişinău afugeführt hat. Vor fünf Jahren hat es eine Welle von Diskussionen hervorgerufen. Es sei eine große Überraschung gewesen, da in der Republik Moldova allgemein nur wenig über diesen Teil ihrer Geschichte bekannt sei. "Es gab merkwürdige Vergleiche, die in eine Zeit fielen, als das Image von Marschall Antonescu poliert werden sollte. Viele erinnerten lieber an die sowjetischen Deportationen nach Sibirien." Ebenso provokativ wirkte ihr nächstes Projekt, bei dem das Tabu der Homosexualität offen erörtert wurde: Sowohl erzählten auf der Bühne ältere Schwule von ihrem Lebensweg wie auch Eltern von Homosexuellen ihre Erfahrungen mitteilten. "Es waren sehr emotionale Aufführungen", sagt Esinencu.
Aktuell hat ihr Stück "Recviem pentru Europa" ("Rest of Europe") Premiere - im Januar im Schauspielhaus Graz. Esinencu exploriert darin die Arbeitsbedingungen, unter denen in der Republik Moldau für globale Investoren gearbeitet wird. Insbesondere geht es der Autorin darum, auf die Ausbeutung durch Minimallöhne und den fehlenden Arbeitsschutz hinzuweisen. Moldau sei jetzt wieder für die Textil- und Elektroindustrie interessant, die von China oder Bangla Desh nach Europa zurückkehren. Es gehe in dem Stück darum, wie diese internationalen Firmen in ihrem Land agieren und wie die Regierung das Land verkaufe. Von dieser Perspektive aus analysiere das Stück, was Europa für die Republik Moldau bedeute. Es scheine eine Rekolonisierung stattzufinden, wenn der Mindestlohn bei 90 € im Monat liege und es nur unqualifizierte Arbeit gebe. Daher hätten 40% der Arbeitskräfte das Land verlassen, was für die Dörfer besonders prekär sei. Die Versprechen Europas von Investitionen und gerechten Löhnen erwiesen sich so eher als Propaganda.
Im Mai wird Nicoleta Esinencu am Theater Hebbel am Ufer in Berlin auf einer Veranstaltung zu Utopie und Feminismus im Rahmen des Projekts "Utopische Realitäten - 100 Jahre Gegenwart mit Alexandra Kollontai" sprechen.